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Urteil Obergericht (BE)

Zusammenfassung des Urteils SK 2009 443: Obergericht

Das Urteil der 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 1. Juli 2010 betrifft den Fall einer Falschbeurkundung im Unfallprotokoll, bei dem der Angeklagte A. fälschlicherweise als Unfallverursacher angegeben wurde. Die Vorinstanz verurteilte den Angeklagten wegen Falschbeurkundung gemäss Art. 251 StGB und Anstiftung dazu. Die Kammer des Obergerichts kam jedoch zu dem Schluss, dass keine objektiven Garantien die Wahrheit des Unfallprotokolls gewährleisten und somit der Tatbestand der Falschbeurkundung nicht erfüllt ist. Der Angeklagte wurde daher freigesprochen.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK 2009 443

Kanton:BE
Fallnummer:SK 2009 443
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid SK 2009 443 vom 01.10.2010 (BE)
Datum:01.10.2010
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Falschbeurkundung Unfallprotokoll (Leitentscheid)
Schlagwörter : Falschbeurkundung; Unfallprotokoll; Angeschuldigte; Wahrheit; Kammer; Garantien; Obergerichts; Fahrzeuglenker; Anstiftung; Vertrauen; Versicherung; Protokoll; Urteil; Obergerichtssuppleant; Sache; Vorinstanz; Angeschuldigten; Rechtsprechung; Urkunde; Glaubwürdigkeit; Krankenkasse; Person; Versicherungsleistung; Leitentscheid; SK-Nr; Kammer
Rechtsnorm:Art. 251 StGB ;
Referenz BGE:103 IV 178; 117 IV 35; 118 IV 254;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SK 2009 443

SK 2009 443 - Falschbeurkundung Unfallprotokoll (Leitentscheid)
SK-Nr. 2009 443

Urteil der 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern,
unter Mitwirkung von Obergerichtssuppleant Kiener (Präsidentin i.V.), Obergerichtssuppleant Chételat und Oberrichter Zihlmann sowie Kammerschreiberin Stebler

vom 1. Juli 2010

in der Strafsache gegen

A.

Angeschuldigter/Appellant



wegen BetmG-Widerhandlung, Geldwäscherei etc.


Regeste:
Wahrheitswidrige Angaben über den Fahrzeuglenker in einem Unfallprotokoll stellen keine Falschbeurkundung dar, da keine allgemeingültigen objektiven Garantien die Wahrheit dieser Erklärung gewährleisten.


Redaktionelle Vorbemerkungen:
Der Angeschuldigte verursachte gemeinsam mit weiteren Personen einen absichtlichen Autounfall. Als Fahrzeuglenker trug sich X. ein, der vorab telefonisch aufgefordert wurde, sich nach Bern zu begeben, um im Anschluss an einen Verkehrsunfall seine Unterschrift unter das Unfallprotokoll zu setzen, welches ihn fiktiv als Unfallverursacher auswies. Die Vorinstanz erklärte den Angeschuldigten der Falschbeurkundung gemäss Art. 251 StGB sowie der Anstiftung dazu schuldig.






Auszug aus den Erwägungen:
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III. Rechtliche Würdigung
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5. Falschbeurkundung und Anstiftung dazu
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5.3 Beurteilung durch die Kammer
Die allgemeinen Ausführungen der Vorinstanz zur Problematik der Falschbeurkundung sind zwar korrekt, hingegen kann sich die Kammer der vorinstanzlichen Subsumtion nicht anschliessen.
Eine qualifizierte schriftliche Lüge im Sinne der Falschbeurkundung wird nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dies ist einzig und allein dann der Fall, wenn allgemein gültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten (BGE 117 IV 35; Urteil des BGer vom 16. August 2001 6S.655/2000, E. 2b). Als Beispiel kann an dieser Stelle auf den Arzt verwiesen werden, der gegenüber der Krankenkasse zur Wahrheit verpflichtet ist und demnach durch unwahre Krankenscheine eine Falschbeurkundung begehen kann, weil die Krankenkasse ihm aufgrund der vertraglichen Verbindung ein besonderes Vertrauen entgegen bringt (BGE 103 IV 178). Ein Unfallprotokoll kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich Urkundenqualität haben (BGE 118 IV 254, E. 3). Ob die wahrheitswidrige Angabe über den Fahrzeuglenker gleichzeitig eine Falschbeurkundung darstelle, d.h. ob allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit dieser Erklärung gewährleisten würden, liess das Bundesgericht in seinem Entscheid hingegen offen.
Auch wenn sich die Haftpflichtversicherung in gewissem Umfang auf die Angaben in einem Unfallprotokoll verlässt, so besteht zwischen ihr und den Ausstellern des Protokolls kein besonderes Vertrauensverhältnis, so dass sie sich bei der Prüfung des Unfallprotokolls nicht unbesehen auf die aus ihr ergehenden Erklärungen verlassen darf. Die Versicherung ist also gehalten, selber weitere Abklärungen zu treffen. Dafür spricht auch der Vermerk auf dem Protokoll selber, dass dieses keine Schuldanerkennung sei. Nach Ansicht der Kammer weist das Unfallprotokoll demnach nicht die erhöhte Glaubwürdigkeit auf, wie sie für eine Falschbeurkundung vorausgesetzt ist, da keine allgemeingültigen objektiven Garantien für die darin gemachten Behauptungen ersichtlich sind.
Subjektiv fehlt es dem Angeschuldigten an einer über den Vorsatz und die Täuschungsabsicht hinausgehenden Schädigungsoder Vorteilsabsicht, da die Zahlung der Versicherungsleistungen nicht von der Frage, welche Person den Wagen tatsächlich gelenkt hatte, abhängig war. Mit anderen Worten hätte der Angeschuldigte auch dann eine Versicherungsleistung erhalten, wenn auf dem Protokoll der wahre Lenker angegeben worden wäre.
Folglich kommt die Kammer zum Schluss, dass der Tatbestand der Falschbeurkundung nicht erfüllt ist. Der Angeschuldigte ist daher vom Vorwurf der Falschbeurkundung sowie der Anstiftung dazu freizusprechen.
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Quelle: https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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